Zukunftsschulen: Schulentwicklung durch Schüleraustausch?

Einen wichtigen Kontakt, den wir seit der Tagung “Oberstufe neu gestalten” halten konnten, war das Ratgymnasium in Minden. Die Schulleiterin Cordula Küppers war zu dieser Zeit aktiv auf der Suche nach Personen, die die schülerbasierte Schulentwicklung ihrer Schule unterstützen sollten ohne gleichzeitig den Status einer Lehrkaft zu haben.

Dieses Anliegen war eingebettet in die Mitgliedschaft des Ratsgymnasiums im Landesnetzwerk “Zukunftsschulen NRW”, wodurch direkt noch zwei weitere Schulen in Löhne und Bünde angesprochen wurden. Dieses Teilnetzwerk hatten sich zur mehrjährigen Bearbeitung des Vorhabens „Schulentwicklung unter besonderer Berücksichtigung der kulturellen Bildung und der Bedeutung der Lernumgebung für einen ganzheitlichen Bildungsprozess“ in ihren Schulen konstituiert und trafen sich bis dahin vierteljährig mit einer neutralen Prozessbeobachterin. Nun waren die Schulleitungen aber an einen Punkt gekommen, auch Schülermeinungen in den Prozess einzubinden. Für dieses Vorhaben wurde eine erste Kooperation mit uns als Austauschnetzwerk vereinbahrt. Ziel war die Schulung der Lernenden darin, Besonderheiten der drei teilnehmenden Schulen zu erkennen und daraus Bedarfe an der eigenen Schule (besonders im Oberstufenbereich) abzuleiten.

Nach einem ersten Material- und Erkenntnisaustausch per Mail reisten dann im Juni 2017 Arne Arend und Luis Pähler erstmalig als BRV-Netzwerkbotschafter zu einer Schule, deren Schüler bisher wenig Hospitationserfahrung hatten. In Minden hatten wir zunächst die Möglichkeit, das Ratsgymnasium und seine Schulprojekte etwas kennenzulernen bis wir dann nachmittags zum Netzwerktreffen dazugestoßen sind. Neben den Schulleitungen und der Netzwerbegleiterin waren nun auch Lernende dabei, die von ihren jeweiligen SV-Lehrern zum Mitmachen ermutigt wurden. Die große Versammlung teilte sich aber nach einer kurzen Vorstellungsrunde schnell auf, da es ja an uns lag, die Schüler auf ihre eigenständigen Hospitationen im Dreiecksverfahren vorzubereiten. Die größte Hürde bestand uns dann darin, ein recht abstraktes und offenes Verfahren ohne unmittelbare Praxisverweise zu vermitteln, da kein erfahrenes BRV-Mitglied an diesem Austausch direkt teilnehmen sollte. Ein “learning-by-doing” war an diesem Nachmittag nicht möglich.

Im Rahmen unserer Möglichkeiten berichteten wir also den Lernenden vom grundlegenden Austauschgedanken, von wichtigen Planungsschritten und Eindrücken vergangener Austausche sowie vom BRV-Netzwerk selbst. Die Lehrenden erwarteten zudem konkrete Handlungsabläufe, Aufgabenstellungen und Arbeitsziele, die wir aber gemäß unserer bisherigen Arbeitsweise im Netzwerk bewusst offen gehalten haben. Dass der Umgang mit diesen Ansprüchen aber dennoch nicht leicht war, haben wir in dieser Mail zusammengefasst:

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Mit einem für sie unklaren Arbeitsauftrag, einer verdichteten Planungszeit und ohne weitergehendes Wissen darüber, wozu sie diesen Austausch durchführen, wurden die Lernenden schließlich mit der Durchführung einer selbstständigen Dreieckshospitation beauftragt. Im Oktober 2017 sollten die Lernenden dann wieder vor den Schulleitungen und uns über ihre Erfahrungen berichten.

Im Oktober trafen wir uns dann an der zweiten Schule in Bünde, um uns über die Erkenntnisse der drei Hospitationsbesuche informieren zu lassen. Hier zeichnete sich das unsichere Bild der Lernenden aus dem ersten Treffen allerdings abermals ab: Der Austausch bekam den Charakter eines Schulvergleiches, insbesondere in Kategorien der Schulausstattung. Pädagogische Konzepte wurden von den Lernenden nicht gefunden oder erkannt, stattdessen wurde auf die jeweiligen Persönlichkeiten einzelner Lehrkräfte verwiesen. Grundsätzlich wurde deutlich, dass unter den Schülern der drei Zukunftsschulen kein Gespür für die (angestrebten) individuellen Schulprofile besteht. Ein Interesse zu einem Austausch mit anderen Schulen bestand schließlich unter den Teilnehmenden nicht.

Etwas vage wurde sich für die Kooperation zwischen den beiden Netzwerken bedankt und eine weitere Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen.

Was folgt nun für unser Austauschnetzwerk aus diesen Erfahrungen?

Ein Fazit des gesamten Prozesses lässt sich wohl am besten in zwei Kategorien zusammenfassen: Der Partizipation in fremden Projekten und der Eingliederung und Begeisterung von Schülern, die sich bislang wenig mit pädagogischen Perspektiven beschäftigt haben.

So kann man, im Hinblick auf die Arbeit in einem nicht von uns geleiteten Vorhaben der Zukunftsschulen zunächst nur einen gewissen Konflikt der Zielsetzungen beleuchten. Während für die drei Schulen zunächst der Aspekt der Schülerpartizipation in den von der Schule angestrebten Prozessen im Vordergrund stand hat sich unser Netzwerk nunmal auch eine generelle Verselbstständigung der Lernenden an Ihrer Schule und in ihren Einstellungen zur Aufgabe gemacht. In diesem Beispiel führte dies wie erwähnt vor allem dahingehend zu einem konkreten Konflikt, dass die Beteiligten Lehrer schon früh in die Richtung drängten, die Schüler sollten mit im vorhinein benannten Problemen in den anderen Schulen nach Lösungsmöglichkeiten untersuchen, während wir eine interessensgeleitete Orientierung vor Ort vorschlugen.

Im Rückblick muss man nun sagen, dass  – um derartige Probleme zu vermeiden – auf jeden Fall eine klare Trennung der Projekte und ihren Interessen stattfinden sollte. Das bedeutet: Entweder besteht die Möglichkeit andere Projekte in der konkreten Organisation eines Austausches u.ä. zu beraten oder es dreht sich bei den Botschafter-Aktionen lediglich um eine geplante Integration in oder die Durchführung eines einzelnen Austausches über unser Netzwerk, was wir gezielt unterstützen können. Unsere Erfahrung mit den drei Zukunftsschulen können wir nachträglich der ersten Gruppe zuordnen, wenngleich dieses Ziel erst später deutlich wurde.

Die viel interessantere Frage stellt sich jedoch im Bezug auf die Integration von Schülern aus Regelnschulen in das Netzwerk. Wie die abschließende Rückmeldung der Lernenden zeigte, konnten diese kaum ein Vorstellung von möglichen pädagogischen Konzepten oder alternativen Schularten entwickeln, was sich natürlich auf die Motivation zu einem Austausch negativ auswirkte. Leider ist natürlich zu befürchten, dass dies nicht an einem tagesabhängigen Desinteresse der betroffenen Schüler lag, sondern ein strukturelles Problem von Regelschulen im allgemeinen ist, die ganz einfach ein geringeres Interesse haben die Schüler auf spezifische Besonderheiten der eigenen Schule aufmerksam zu machen bzw. es gar nicht so viele schulweite Besonderheiten gibt.

Falls es weiter im Interesse des Netzwerks liegt, Regelschüler zu integrieren, muss also ein Weg gefunden werden diese für die vielfältigen Möglichkeiten im schulischen Raum zu begeistern.

Während dies im Rahmen des konkreten Austausches durch den einführenden Besuch einer möglichst fremdartigen Schule möglich sein könnte, bleibt die Frage, wie man dieses Interesse bei der erstmaligen Kontaktaufnahme wecken könnte.

Um hier neue Ansätze entwickeln zu können, bedarf es weiterer Pilotprojekte unserer Botschafter.

Externer Link zum Zwischenbericht des Ratsgymnasiums in Minden (PDF)