EinBlick in (latein-)amerikanische Schullandschaften

Ob mein Interesse, verschiedene Schulformen zu erfahren, mit der Gründung des BlickRichtungVielfalt-Netzwerks entstand oder schon vorher existierte, kann ich nicht genau sagen.  Fest steht jedoch, dass dieses Interesse nicht mit meinem Abitur verschwand, sondern weiterhin für mich präsent blieb…

Ein Reisebericht von Vincent Heidemann, Redaktionsmitglied und Lehramtsstudent.

So besuchte ich auch während den 6 Monaten, die ich nach meinem Abitur auf dem amerikanischen Kontinent verbrachte, verschiedene Schulen und Hochschulen um pädagogische Konzepte zu erfahren und zu hinterfragen. Darüber hinaus tat ich dies aber auch mit einem Verständnis von Schule als gesellschaftliches und kulturelles Forum und der Idee, so die Länder, die ich bereisen wollte, besser kennenzulernen.

Die Reise startete in den USA, wo ich neben Hochschulen, wie der Denver University oder der University of Vermont unter anderem die German International School in Boston besuchte und dort im Unterricht hospitierte, sowie mit verschiedenen Schüler*innen über ihr Verständnis von Schule sprach.

Nach meiner Zeit in den USA verbrachte ich 2 Monate in Guatemala und unterrichtete dort einen Monat Englisch in einer Grundschule in einem kleinen Dorf mit dem Namen El Chal. Nicht weit entfernt besuchte ich auch eine Schule in einem autonomen, gemeinschaftlich organisierten Dorf ehemaliger Widerstandskämpfer*innen des guatemaltekischen Bürgerkriegs. An beiden Orten stand ein spannendes, sehr freiheitlich orientiertes pädagogisches Verständnis dem Mangel an Ressourcen und politischer Unterstützung gegenüber….
… ein Thema, dass genauso bei jedem meiner BlickRichtungVielfalt-Austausche zur Sprache kam.

Im Kontrast dazu hospitierte ich eine Woche in einer städtischen Privatschule in Quetzaltenango, der Miguel Angél Asturias Academy, die durch ein gestaffeltes Schulgeld finanziell besser aufgestellt war und trotz dessen den Schwerpunkt auf ihre heterogene Schüler*innenschaft legt und dabei insbesondere auch die indigenen Bevölkerungsgruppen berücksichtigt. Ich übersetzte die Website der Schule auf Deutsch hielt mich dort viel in der Bibliothek und der Nähwerkstatt auf.

Auch in Nicaragua besuchte ich Schulen, jedoch jeweils nur für wenige Tage. Mit Kindern der Cesar Jerez Schule in Estelí übersetzte ich Briefe an die Schüler*innen und brachte diese nach meiner Reise an die Laborschule Bielefeld, die die Partnerschule der Cesar Jerez ist. Zwei weitere Tage verbrachte ich an der Crystal-Schule in Estelí, einer inklusiven Schule, wobei über 50% der Kinder dort einen diagnostizierten sonderpädagogischen Förderbedarf haben. Es wäre wohl spannend gewesen, dort länger zu bleiben, um insbesondere mehr von der inklusiven Arbeit mitzuerleben.

Die letzte Schule, die ich während meiner Reise besuchte war die Escuela Tikapata, eine freie demokratische Schule im Sacred Valley, mitten in der wunderschönen Natur der peruanischen Anden (siehe Beitragsbild). Dort blieb ich für eine Woche, führte Gespräche mit Lernenden und Lehrenden und gab einen kleinen Jonglage-Workshop. Wohlmöglich ist die Tikapata eine kleine Blase des guten Lebens und die Lernenden dort nicht repräsentativ für die peruanische Gesellschaft, trotzdem kann ich nur empfehlen, diese Schule einmal zu besuchen und zu sehen, was alles entstehen kann, wenn Schüler*innen tatsächlich völlig selbstbestimmt ihren eigenen Projekten arbeiten, ohne dass sie in irgendeinen Lehrplan gezwungen werden.

Die Erfahrungen an den verschiedenen Schulen ergänzten die, die ich zuvor mit BRV-Austauschen gesammelt habe. Mit diesem kleinen Einblick in das, was gute Schule wohl sein kann und die Probleme, mit denen man sich auf dem Weg dahin konfrontiert sieht, sitze ich nun in dem wahnsinnig starrsinnigen Lehramtsstudium und warte auf die nächste Gelegenheit auszubrechen und auszutauschen… 😉